Als ich anfing, mich mit Aktien zu beschäftigen, sah ich den Kurs einer Aktie als etwas Objektives an. Klar, ich wusste, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmten. Dennoch fühlte sich der Kurs für mich eher wie die Temperatur oder die Geschwindigkeit eines physikalischen Objekts an – eine klare Zahl, die irgendwie „objektiv“ war.
Damals verglich ich den Aktienhandel gern mit einem Pferderennen: Zu Beginn gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, welches Pferd das Rennen machen wird, doch am Ende verschafft das Ergebnis Klarheit. Also dachte ich, das Wichtigste wäre, möglichst viel über die „Pferde“, die ich kaufen wollte, in Erfahrung zu bringen. Ich las Geschäftsberichte, durchstöberte das Internet und bildete mir eine Meinung. Und zu Beginn schien der Markt meine Meinung sogar zu teilen – doch das war 1999, und damals stieg irgendwie sowieso alles.
In den darauffolgenden Jahren musste ich lernen, dass der Markt wenig Rücksicht auf meine Einschätzungen oder die Geschäftszahlen nahm. Der Markt hat eine ganz eigene „Meinung“. Mein anfänglicher Enthusiasmus kühlte ab, und ich verlor eine Weile das Interesse. Was blieb, war eine wichtige Erkenntnis: Kurse sind keine objektiven Werte. Sie sind Momentaufnahmen der Meinungen, Einschätzungen und Emotionen der Marktteilnehmer.
Ein treffendes Bild ist ein Kessel auf dem Herd: Die Temperatur wird nicht gemessen, sondern von einer Gruppe Menschen einfach geschätzt, die ihre Einschätzungen zu einem Mittelwert zusammenfassen. So entstehen die Kurse: ein kollektiver Durchschnittswert, der vor allem die Stimmungslage der Menschen reflektiert – eben 90 Prozent Psychologie, wie es André Kostolany sagte.
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